Die Novellierung des Agrar-Organisationen- und-Lieferketten-Gesetzes
07. März 2024Eine Ad-hoc-Regulierung ohne Nutzen für Landwirte zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher
Seit Anfang 2024 erleben wir Proteste von Bäuerinnen und Bauern in vielen europäischen Ländern aufgrund von zunehmender Bürokratie und steigenden Auflagen für die Produktion. In Deutschland hat die Ankündigung von Subventionskürzungen für die Landwirtschaft zu flächendeckenden Protesten geführt.
Angesichts der Bauernproteste in Deutschland wurde von verschiedenen Politikerinnen und Politikern aus den Regierungsfraktionen eine Verschärfung des deutschen Agrar-Organisationen-und-Lieferketten-Gesetz (AgrarOLkG) gefordert, um die so genannte “Marktmacht des Handels“ zu regulieren. Wie genau dies den Landwirtinnen und Landwirten helfen soll, bleibt dabei unklar. Denn: Lediglich 5-10% der landwirtschaftlichen Produkte werden direkt an den Lebensmittelhandel verkauft. Der Rest wird von der Lebensmittelindustrie abgenommen oder geht in den Export.
Durch die Proteste nahm auch die politische Diskussion um eine Novelle des AgrarOLkGs als deutsche Umsetzung der europäischen Unfair Trading Practices Richtline an Fahrt auf. Im Kern geht es darum, faire Geschäftsbedingungen zwischen unterschiedlichen Akteuren, also Produzenten, Lebensmittelindustrie und Lebensmittelhandel, innerhalb der Lebensmittel-Lieferkette zu ermöglichen. Deshalb wurde von 2015-2019 in langen Verhandlungen und unter Einbeziehung vieler Studien, die Unfair Trading Practices Richtlinie eingeführt und im Jahre 2021 in deutsches Recht, umgesetzt. Ergebnis: Bestimmte Handelspraktiken bzw. Vertragsklauseln wurden als unlauter eingestuft und verboten, z.B. Zahlungsfristen von mehr als 30 Tagen für leicht verderbliche Lebensmittel, die Rückgabe von unverkauften Lebensmittelerzeugnissen ohne Zahlung des Kaufpreises oder kurzfristige Stornierungen von verderblichen Lebensmittelerzeugnissen.
Beispiel landwirtschaftliche Erzeugnisse: Monopolstellung von Molkereien führt zu unklaren Verhältnissen
Ein genauer Blick auf die einzelnen Bereiche der landwirtschaftlichen Erzeugnisse lohnt sich: Bei der in Deutschland produzierten Milch wird beispielsweise ca. 50% exportiert. Dementsprechend orientieren sich die Preise für deutsche Milch am Weltmarkt und dem internationalen Wettbewerb. Der deutsche Handel sollte nicht durch höhere Preise im Inland den Export von Milch auf dem Weltmarkt quersubventionieren.
Eine Maßnahme, die derzeit diskutiert wird, ist nach Artikel 148 GMO schriftliche Verträge mit klar definierten Preisen zwischen Milchbauern und Molkereien verpflichtend festzulegen. Dies könnte die Rolle der Milchbauern stärken. Gleichzeitig ist dabei darauf zu achten, das zusätzliche Regulierung und Auflagen nicht zu einer bürokratischen Mehrbelastung von Landwirten und Molkerein führen.
Politik schiebt dem Handel den Schwarzen Peter zu
Es ist zwar nachvollziehbar, dass einige Politikerinnen und Politiker angesichts des Unmutes der Landwirtinnen und Landwirte nun den Schwarzen Peter zum Lebensmittelhandel schieben wollen. Auch wenn derzeit immer wieder behauptet wird, dass die Erzeugerpreise vom Handel festgelegt werden, entstehen Erzeugerpreise tatsächlich durch Angebote und Nachfrage auf dem Weltmarkt. Die starke Überproduktion von Lebensmitteln innerhalb der EU sorgt für einen Angebotsüberschuss - was wiederum zu sinkenden Preisen bei den landwirtschaftlichen Erzeugern führt. Wenn jetzt, wie von einigen Politikern gefordert, die Preise für Lebensmittel steigen sollen, um mehr “fairness” zu erreichen, müsste dafür die Preisbildung am Markt außer Kraft gesetzt werden. Preise sind aber nicht “fair”, sondern ein Indikator für Angebot und Nachfrage in einer Marktwirtschaft. Die großen Verlierer wären am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit deutlichen höheren Preisen rechnen müssten. Dabei gibt es keinerlei Garantie, dass diese höheren Preise den Landwirtinnen und Landwirten zugutekommen und nicht zu einer Margenerhöhung bei der Lebensmittelindustrie führt.
AgrarOLkG-Novelle muss Beziehungen zwischen Landwirten und Lebensmittelindustrie in den Blick nehmen
Derzeit erarbeitet die Ampelkoalition einen Entschließungsantrag zur Novelle des AgrarOLkGs. Dieser beschäftigt sich allerdings nicht – wie als Kernanforderung der Novelle ursprünglich formuliert - mit den konkreten Herausforderungen der Landwirtinnen und Landwirte innerhalb der Lieferkette, sondern fokussiert sich vor allem auf die Vertragsbeziehungen zwischen Lebensmittelindustrie und Lebensmittelhandel. Demnach sollen Unternehmen der Lebensmittelindustrie bis 4 Mrd. € Umsatz vor dem Lebensmittelhandel geschützt werden. Das würde allerdings dazu führen, dass große globale Lebensmittelunternehmen mit Tochtergesellschaften in Deutschland, wie beispielsweise die Nestle Deutschland AG mit 3,5 Mrd. € oder die Unilever Deutschland GmbH, vor Unternehmen wie METRO Deutschland mit einem Umsatz von 4,5 Mrd € geschützt werden sollen. Wie dadurch den Landwirtinnen und Landwirten geholfen wird, bleibt unklar.
Auch die von Robert Habeck vor kurzem befragte Monopolkommission der Bundesregierung warnt im Februar 2024 eindringlich: „Eingriffe in die Agrarmärkte […] nur behutsam und auf klarer Tatsachengrundlage vorzunehmen.“. Es gibt bereits jetzt im erst 2021 in Kraft getretenen AgrarOLkG diverse Instrumente zur Regulierung der Lebensmittelmärkte, die teilweise erst vor kurzem eingeführt wurden. Auch im Evaluierungsbericht des BMELs zum AgarOLkG wird vor weiteren, wie im Entschließungsantrag der Ampel vorgesehenen, Markteingriffen gewarnt.
Eine Ad-Hoc-Regulierung ohne wirklichen Nutzen für die Landwirte
Die geplante Verschärfung der deutschen UTP-Umsetzung ist ein starker Eingriff in die Vertragsautonomie, der den Landwirten nicht helfen wird, aber die Gewinnmargen der Lebensmittelindustrie zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher und Gastronomie weiter erhöhen wird. Wir lehnen die UTP-Verschärfung bei der nationalen Umsetzung und die damit einhergehenden künstliche Erhöhungen von Lebensmittelpreisen entschieden ab.