Gastro-Politik-Talk mal anders! Die Kreativität der Gastronomie macht’s möglich
18. Oktober 2021METRO Own Business Day 2021 | #LoveOwnBusiness
„Mut. Innovation. Zuversicht“ – unter diesem Titel fand die diesjährige Politikveranstaltung zum Own Business Day in Düsseldorf statt. Zum dritten Mal in Folge lud METRO zum Austausch zwischen Politik und selbstständigen Unternehmern, vor allem aus der Gastronomie, ein.
Mut. Innovation. Zuversicht. Warum dieser Dreiklang?
In anderthalb Jahren Pandemie wurde viel über die Herausforderungen der Gastronomie diskutiert – selten jedoch darüber, was die Branche in dieser Zeit nach vorne getrieben hat. Ob durch Nutzung von Möglichkeiten der Digitalisierung, Aufbau neuer Geschäftswege, zusätzliche Angebote oder durch neue Formen der Gästekommunikation – die Gastronomie hat Unternehmergeist gezeigt, Inspiration geschaffen und neue Wege beschritten. Wir wollten genau diese Triebkraft in den Mittelpunkt des Politik-Talks setzen.
Wie können wir diese Dynamiken nutzen, um akute Herausforderungen der Branche zu meistern, wie kann die Branche ihr Potenzial zur Gestaltung unseres Zusammenlebens einbringen und welche Bedeutung kommt dabei dem Schulterschluss zwischen Gastronomie und Politik zu? Darüber diskutierten wir mit unseren Gästen Prof. Dr. Andreas Pinkwart (Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen), Marion Hörsken (Geschäftsführerin IHK Düsseldorf), Walid El Sheikh (Inhaber The Paradise Now! und anderer Gastronomien), Nic Shanker (Gründer Starkeepers), Katharina Bilinski und Katharina Krüll (Inhaberinnen Flurklinik) und Peter Wienen (Vorstandsvorsitzender IG Kö).
Dass wir als Location für den Politik-Talk The Paradise Now! im Düsseldorfer Medienhafen gewählt haben, konnte die Zielsetzung der Veranstaltung nicht besser symbolisieren: Das neue Gastro-Konzept, das während der Krise geplant und kürzlich eröffnet wurde, steht für Optimismus und das kreative Potenzial der Branche.: „Ich bin begeistert von der Innovationskraft, Energie und Motivation, die mir in den letzten Monaten in der Gastronomie begegnet ist“, bekräftigt Steffen Greubel, CEO der METRO AG, in seinem Grußwort. Das gebe auch ihm Kraft und Zuversicht für die Zukunft.
Mit Digitalisierung zu neuen Geschäftswegen
Die letzten zwei Jahre haben gezeigt, wie gerade Investitionen in Digitalisierung die Gastronomie verändert haben: „Wir waren zu groß, um einfach abzuwarten. Es brauchte kreative Lösungen, um durch die Lockdowns zu kommen“, so Nic Shanker. Er bot im ersten Lockdown kostenlose Cocktail-Workshops über Instagram-Live an, entwickelte diese Idee dann weiter zu den Cocktail-Boxen „Moments“ zum Selbstmixen für zuhause. Auch die Flurklinik musste sich digital weiterentwickeln, erzählt Katharina Bilinski: „Wir haben bewusst auf die Zusammenarbeit mit den großen Lieferdiensten verzichtet und sind mit unserem eigenen Onlineshop gestartet. Das war absolutes Neuland für uns und auch für unsere Mitarbeitenden“. Auch wenn der physische Betrieb wieder im Mittelpunkt steht, haben sie das Online-Geschäft nicht komplett aufgegeben. „Unsere Kunden haben gemerkt, dass man unsere Speisen in guter Qualität zuhause genießen kann. Der Schwerpunkt liegt bei uns dennoch auf dem Gastgebertum vor Ort“, so Katharina Krüll.
Minister Pinkwart sieht auch in zukünftig großes Potential in der Digitalisierung: „Es geht nicht um einen Ersatz analoger Leistungen durch digitale Lösungen. Es geht darum, wie uns Digitalisierung bereichert und weiterbringt“. Walid El-Sheikh nutzt digitale Tools, um Prozesse z.B. in der Reservierung zu vereinfachen – gleichzeitig steht das Erlebnis beim Besuch seines Restaurants für den Gastro-Experten an erster Stelle. Er sieht den Fortschritt im Mut zum Unbekannten: „Nur, wenn wir einen Schritt weiter gehen, können wir Speerspitze einer Branche sein und den Gästen etwas geben, womit sie dann in ihren Bereichen, in denen sie tätig sind, etwas Neues schaffen“.
Fachkräftemangel anpacken
Bei allem Fortschritt in der Gastronomie gibt es einen bedrohenden Rückschritt: Die Gastronomie hat während der Krise viele Mitarbeiter verloren. Das Problem des Personalmangels hat sich dadurch massiv verstärkt und schränkt das Geschäft schon jetzt stark ein. Zeit für gute Ideen und große Lösungen.
Für The Paradise Now! ging Walid El-Sheikh neue Weg im Aushilfen-Recruiting: „Ich muss junge Menschen dort ansprechen, wo sie sich täglich aufhalten – in den sozialen Netzwerken“. Er setzt auf den Gastro-Job als Vermittler von Soft und Hard Skills für die berufliche Zukunft. Denn jenseits von fachlichen Skills lernt man in der Gastronomie kommunizieren, Menschen mit Leidenschaft ansprechen. Und er geht noch weiter: „Im Paradise Now! kann man auch lernen, wie man eine Corporate Identity erstellt oder wie Raumbeleuchtung aussehen muss. Wir wollen eine Bandbreite an Menschen mit verschiedenen beruflichen Zielen ansprechen – wir müssen uns an ihre Bedürfnisse anpassen.“ Marion Hörsken ist begeistert von diesem Ideenreichtum: „Wir reden zu wenig über jene, die es richtig machen“.
Um mehr Menschen für die Gastronomie zu begeistern, bedarf es jedoch vor allem eines: Wertschätzung für die Branche.
Die Wahrnehmung für die Gastronomie ist mit der Krise zwar gestiegen – die Wertschätzung nicht. Das Gästeverhalten habe sich nicht geändert, da sind sich die Panelisten einig. Während Pflegeberufe im Rahmen der während der Pandemie gestiegenen gesellschaftlichen Anerkennung neue Mitarbeiter gewinnen konnten, sieht es in der Gastronomie anders aus. „Hier hat auch die Politik einiges versäumt“, bemerkt Martin Behle, Operating Partner METRO AG. „Anders als in vielen anderen Länder gibt es hier kein Standortmarketing, das auch die Gastronomie einschließt und damit Signale der Wertschätzung nach innen und außen sendet“. Deutschland rangiere regelmäßig auf Rang 2 oder 3 bei der Anzahl von Michelin-Sternen. „Wissen tut das kaum jemand.“ Ein klarer Appell: Es braucht eine gesellschaftliche Debatte, die zu einer erhöhten Wertschätzung für die Branche, ihrer Mitarbeiter und ihrer Produkte führt. Eng verknüpft damit ist auch die Diskussion um Preise. Katharina Krüll stellt fest „ein Mittagessen für weniger als 7 Euro – und das ist oft die Erwartung der Gäste – ist für uns als Viertelladen nicht darstellbar“ – schließlich würde dort alles frisch zubereitet und gekocht.
Gastronomie als Treiber für vielfältige Innenstädte
Die Stärkung der Branche ist auch deswegen wichtig, weil sie eine zentrale Rolle in unserem Zusammenleben spielt. Das zeigt sich akut auch in den Innenstädten, deren Zukunftsfähigkeit aktuell heiß debattiert wird. Gastronomie jeder Form sei essenziell für Innenstädte, von der Altstadtkneipe zum Café auf der Flaniermeile, so Peter Wienen. Menschen kommen immer weniger zum Shoppen in die Stadt. Das Erlebnis der Gastronomie werde dagegen zunehmend wichtiger, Menschen in die Stadt zu ziehen. Marion Hörsken stimmt zu: „Es geht jetzt um integrierte Konzepte. Wir dürfen nicht mehr separat in den Kategorien Einzelhandel, Gastronomie oder Mobilität denken“. „Innenstädte müssen wie die Kö in Düsseldorf einen Event-Charakter haben, denn sie sind wichtige Kulturräume“ so auch Wirtschaftsminister Pinkwart.
Um das Potenzial der Gastronomie für belebte Innenstädte zu erschließen, muss sich jedoch einiges im Zusammenspiel mit Politik und Verwaltung tun. Ein großes Problem seien beispielsweise die „Hürden für Verhandlungen über Mietverträge, die viele Interessenten von Anfang an ausschließen“, ordnet Walid El Sheikh das Problem der Innenstadtgastronomie ein. Auch Bürokratie schade dem Ziel, Gastronomien als Magnet im Stadtbild besser zu positionieren: „Übermäßige Reglementierungen und Kontrollen durch das Ordnungsamt schaden der Gastronomie erheblich,“ so Peter Wienen. „Warum werden die Auflagen nicht reduziert und damit Anreize für Neugründungen geschaffen?“ Mehr Möglichkeiten für Experimente sind wichtig, um Raum für Lösungen zu schaffen – so das Podium.