Ein Interview mit Karl Romboy am Tag der Kleinst-, klein und mittleren Unternehmen
27. Juni 2019Am 27. Juni feiern Kleinst-, klein- und mittleren Unternehmen die Anerkennung ihrer Arbeit in der lokalen und globalen Wirtschaft.
Karl Romboy (39) tingelte als Koch in renommierten Restaurants zwischen Wien, Sylt und Essen bevor er beschloss, sein eigener Herr zu werden: Im Sommer 2013 eröffnete er ein Ecklokal zwischen den Düsseldorfer Stadtteilen Pempelfort und Derendorf. Platz für 100 Gäste. Ausgesuchte Speisekarte. Seit kurzem ist Karl Romboy als Senior Consultant bei der METRO beschäftigt und agiert vor allem als Botschafter für die Gastronomie. Nach 25 Jahren Berufserfahrung hat er ein gutes Gespür dafür, was der Gastronom eigentlich braucht – und unterstützt METRO dabei, entsprechende Produkte für seine Kunden zu entwickeln.

Heute ist der Tag der Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen, den die Vereinten Nationen 2017 ausgerufen haben, um die Leistungen der Unternehmer hervorzuheben. Hast Du den Eindruck, dass die Rolle von Kleinunternehmern in Gesellschaft und Wirtschaft ausreichend anerkannt ist?
Nein, das finde ich überhaupt nicht! In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Politik bei Fehlern großer Unternehmen sofort zur Stelle, um Subventionen auszuschütten. Kleine Unternehmer haben häufig das Gefühl auszubluten und leiden unter der umfangreichen Bürokratie. Wenn man es genau betrachtet, sind Mittelständler, Kleinst- und Kleinunternehmer jedoch die Jobmotoren in Deutschland. Sie bieten standortbezogen Arbeitsplätze und garantieren damit Steuereinnahmen. Das wird leider oft nicht wirklich berücksichtigt, weil diese Kleinst- und Kleinunternehmer sich keine große Lobbyarbeit leisten können und somit wenig Gehör finden – das ist zumindest meine Wahrnehmung.
Als selbständiger Gastronom kennst Du die Leiden und die Freuden von Kleinunternehmern sehr gut. Fangen wir mit den Freuden an – was hat Dich in die Gastronomie getrieben?
Gastronomie hat mich immer begeistert, da es ein sehr individueller Job ist. Man kann sich persönlich ausleben, hat viel Gästekontakt. Man muss es natürlich auch mögen, mit Menschen zu tun zu haben. Aber meine Sichtweisen hat der Austausch mit verschiedenen Menschen und Kulturen unheimlich bereichert. Ich habe kulturelle Unterschiede kennen- und schätzen gelernt. Gerade die Gastronomie ist ja ein Sammelbecken der Kulturen und damit sehr vielseitig.
Und nun zu den Leiden: Welchen Herausforderungen sind Gastronomen ausgesetzt?
Das Hauptleiden ist die Finanzierbarkeit. Legal und ordentlich zu wirtschaften – das war für mich stets ein Triggerpunkt. Die Gastronomie steht ja leider immer unter Schwarzgeldverdacht. Dabei gibt es so viele Gastronomen, die sich enorm anstrengen, um ganz legal zu wirtschaften. Sie stehen unter immensem Kostendruck, allein wenn man sich die Personalkosten anschaut. Sie konkurrieren zudem mit Mitbewerbern, die nicht völlig legal arbeiten und daraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen. Diese schwarzen Schafe stärken wiederum das Stigma der Branche. Eine der Folgen ist, dass immer mehr reguliert wird. Die Gastronomen, die ordentlich arbeiten, müssen viel leisten, um diese bürokratischen Hürden zu meistern. Allein die Aufzeichnungen von Arbeitszeiten und Hygienekontrollen nehmen mittlerweile so viel Raum ein, dass der Gastronom wenig Zeit für seinen eigentlichen Job hat. Mir fehlt eine ausgleichende Regulierung, die es Gastronomen leicht macht, nachhaltig und legal zu arbeiten. Da muss sich was ändern.
Als eine der großen Probleme der Gastronomie gilt auch der Mangel an gutem Personal. Wie wirkt sich das in Deinem Geschäft aus?
Gutes Personal ist schwer zu finden! In meinem Restaurant war es immer so, dass das Wintergeschäft deutlich stärker war als das Sommergeschäft. Wir haben die Leute im Sommer nicht auf die Straße gesetzt, weil wir Angst hatten, dass wir sie im Winter nicht mehr wiedersehen. Wenn man nicht genug Personal hat, kann man ein gewisses Geschäft nicht generieren. Wenn man ein gewisses Geschäft nicht generieren kann, fehlen auf Dauer Umsätze und damit die Wirtschaftlichkeit. Der Fachkräftemangel ist generell ja bekannt. Er trifft nicht nur die Gastronomie, aber gerade dort doch sehr hart, weil früher beispielsweise viele Studenten einen Gastro-Job gemacht haben. Hat einer nicht mehr gepasst, hat man den nächsten genommen. Mittlerweile gibt es viele Werkstudentenjobs jenseits der Gastronomie. Die Leute haben nicht mehr so viel Lust, sich den Arbeitszeiten auszusetzen und bevorzugen Jobs mit geregelten Arbeitszeiten und gesicherterem Einkommen. Darunter leidet die Gastronomie. Das Thema geht einher mit der Qualität der Arbeitskräfte. Denn man findet zwar immer jemanden – aber ist derjenige auch geeignet, passt er ins Team, beklaut er dich nicht? Es ist wirklich schwer geworden, Jugendliche zu einer Ausbildung in der Gastronomie zu animieren. Die sehen ihre Freunde am Wochenende feiern und sie müssen arbeiten. Zum Job gehört Verzicht dazu und das macht es sehr schwer.
Du sprachst gerade das Thema Personalkosten an. Die Einführung des Mindestlohns galt stets als schwierig für die vielen Kleinunternehmer in der Branche. Wie siehst Du diese Regulierungen?
Ich hatte überhaupt nichts gegen die Einführung des Mindestlohns. Die Aufzeichnung dazu finde ich auch in Ordnung. Der Mindestlohn wurde jetzt ja schon mehrmals angehoben. Das Problem: Die Gastronomie ist von Aushilfen geprägt, die im Rahmen eines Minijobs tätig sind. Die Erhöhung des Mindestlohns drückt auf die möglichen Stunden, die Aushilfen arbeiten dürfen. Sie verdienen zwar das gleiche Geld, können aber nicht mehr die gleiche Stundenanzahl arbeiten. Das ist natürlich eine Milchmädchenrechnung für mich als Gastronomen. Notwendig wäre eine Anpassung: Wenn man den Mindestlohn anhebt, muss man auch sagen, man darf auch mehr verdienen. Sonst geht der Effekt völlig verloren.

Karl Romboy @METRO unboxed; © METRO AG
Was wäre nötig, um Verbesserungen bei der Gewinnung von Mitarbeitern zu erzielen? Kann das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Anfang Juni beschlossen wurde, unterstützend wirken?
Ich bin der Meinung, dass wir ein generelles Einwanderungsgesetz brauchen – nicht unbedingt ein auf Fachkräfte gemünztes Einwanderungsgesetz. Menschen, die nach Deutschland zum Arbeiten kommen wollen, werden durch so ein Gesetz als Fachkräfte entweder qualifiziert oder eben disqualifiziert – und können dann nicht kommen. Und das bei dem Arbeitskräftemangel, den wir haben. Warum lässt man die Menschen, die mit der Intention nach Deutschland kommen wollen, etwas zu leisten, nicht einfach hier auch arbeiten? Die Gastronomie ist einer der wichtigsten Arbeitgeber in Deutschland und zudem standortbekennend. Es ist nicht wie in der Autoindustrie, wo mithilfe von Subventionen im Ausland ein neues Werk gebaut wird und dann Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen. Der Gastronomiemarkt wächst – und da brauchen wir dringend Arbeitskräfte.
Du sprachst eben von den bürokratischen Hürden, die zu meistern sind. Welche Rolle spielt Bürokratie in Deinem Alltag?
Eine sehr große! Von jeder Behörde in Deutschland, die für einen zuständig ist, hat man Auflagen zu erfüllen. Das betrifft die zertifizierte Kasse, die Arbeitszeitdokumentation, Zoll, Hygienelisten, das Trinkgeld im Portemonnaie. Wenn man für fünf Brote schnell zum Bäcker geht und dafür Bargeld aus dem Kellnerportemonnaie nimmt, bedeutet das immer auch Dokumentationsaufwand. Wenn alles penibel dokumentiert wird, geht viel Arbeitszeit verloren. Und wenn man es nicht ordentlich macht, hat man schnell ein Problem. Die Bürokratie im Alltagsgeschäft ist immens. Wenn man die Zeit für gute Angebote, Kundenservice und neue Geschäftsideen nutzen könnte – dann wäre Gastronomen geholfen. Ich hoffe hier auf die Marktreife diverser digitaler Tools, weil ich glaube, dass sie in der Zukunft die Arbeit erleichtern und Kosteneffizienz schaffen. Diese Chance der Digitalisierung muss man erkennen und nutzen.
Meinst Du, die Gastronomie ist bereit für die Digitalisierung?
Ich glaube, dass uns ein großer Generationswechsel bevorsteht. Ein alteingesessener Italiener, der seinen Laden seit 30 Jahren führt und immer alles mit Stift und Zettel gemacht hat, den wird man nicht digitalisieren. Der hört aber irgendwann auf und sein Nachfolger, der mit dem Smartphone groß geworden ist, hat eine ganz andere Affinität zur Digitalisierung. Der hat auch keinen Bock darauf, Stift und Zettel zur Hand zu nehmen. Die Chancen der Digitalisierung bekommt man in alte, verkrustete Strukturen schwer hinein, aber dieser Prozess der Erneuerung wird automatisch stattfinden.
Nachhaltige Gastronomie – das Thema rückt immer mehr in den Fokus der Gesellschaft. Wie weit ist die Gastronomie da?
Das Thema Nachhaltigkeit ist immer ein schöner Marketing-Gag für viele Leute. Natürlich sollen nachhaltige Ansätze weiter Einzug in die Gastronomie halten, das ist ganz essenziell für unsere Zukunft. Den Backofen nicht durchlaufen lassen, den Herd nicht durchgehend in Betrieb halten, wassereinsparende Maßnahmen – alles schon gern gesehen in den Küchen. Oft werden Essensreste eingepackt – aber zu Hause vom Gast dann letztendlich doch weggeschmissen, nachdem sie drei Tage im Kühlschrank lagen. Nachhaltigkeit hat jedoch nicht nur etwas mit Umwelt zu tun, sondern auch mit Kosteneffizienz. Ein Gastronom, der nicht nachhaltig arbeitet, hat beispielsweise höhere Kosten bei der Müllentsorgung. Je nachhaltiger ich arbeite, desto weniger Kosten fallen an, desto nachhaltiger arbeite ich auch wirtschaftlich. Diesen Kreislauf haben noch nicht alle Gastronomen verstanden.
Neben dem Thema Nachhaltigkeit mischen immer wieder neue Food-Trends die Gastronomieszene auf. Welche Entwicklung hältst Du für besonders wichtig?
Es ist alles zu schnelllebig, um zu sagen: Das ist der Trend für die nächste Dekade. Ich glaube nach wie vor daran, auch wenn das mittlerweile nichts Neues mehr ist, dass „Back to the Roots“ – also das, was man bei Oma gegessen hat, dieses Bodenständige – im Kommen ist. Heimat und Vertrautheit ist ein unglaubliches Bedürfnis bei Menschen. Ein weiteres Thema ist Barbecue – auch weltweit. Es gibt wenige Food-Trends, die auf der ganzen Welt funktionieren. Der Barbecue-Trend wird anhalten.
Welche Entwicklung wünschst Du Dir für die Gastronomielandschaft in Deutschland?
Für die Gastronomielandschaft wünsche ich mir eine breite Vielfalt. Zum einen, um Gastronomen die Möglichkeit zu geben, ihre Wurzeln zu präsentieren. Aber auch um ein großes Angebot für die Gäste zu schaffen. (Lacht) Und vor allem wünsche ich mir einen verringerten Mehrwertsteuersatz, weil das finanzielle Probleme an vielen Ecken lösen könnte. Daher: Ein bisschen mehr Miteinander mit der Politik – das wünsche ich mir für die Gastronomie. Das Miteinander bedingt, dass auf der anderen Seite Gastronomen die Regeln aus Politik und Verwaltung einhalten. Das ist die Grundlage für ein „Hand in Hand“, so kommen wir zu zukunftsorientierten Lösungen für die Branche.