F-Gas-Exit: Europas Händler stehen durch steigende Anlagenpreise unter Druck!

Kaum ein Kunde kennt sie, aber zur Kühlung frischer Lebensmittel waren sie lange Zeit unerlässlich: F-Gase. F-Gase zeichnen sich durch eine gute Kühlleistung aus, besitzen aber gleichzeitig ein so hohes „Global Warming Potential“ (GWP), dass Unternehmen und die EU reagieren mussten. Warum METRO auf einen weltweiten F-Gas-Ausstieg setzt, welche Hürden dabei zu nehmen sind und wo der internationale Großhändler beim Ausstieg im Jahre 2020 steht, erzählt uns Olaf Schulze - Director Energy Management der METRO AG im Interview.

Tiefkühlkost

Olaf, spätestens seit der EU-Verordnung vom 16. April 2014 ist das Thema fluorierte Gase ein sehr stark regulierter Markt, denn ab 2020 sollen nur noch recycelte Kältemittel, die ein geringes Treibhausgaspotential haben, verwendet werden. Für 2030 ist dann das komplette Aus für F-Gase geplant. Wieso sind fluorierte Gase so schädlich und wieso ist deswegen eine strikte Regulierung aus Sicht der EU erforderlich?

Fluorierte Gase haben den großen Nachteil, dass sie ein hohes Treibhausgaspotential haben. Die F-Gase, die wir üblicherweise einsetzen, haben ein Treibhausgaspotential von 1:3922, was bedeutet, dass ein Kilogramm Kältemittel den gleichen Effekt hat wie 3.922 Kilogramm CO2. Daher werden diese Gase künftig in der EU verboten. Bei METRO bestehen 20% des gesamten CO2-Fußabdrucks aus den Leckagen der F-Gase, weshalb dieses Thema für METRO von großer Bedeutung ist, wenn wir unser Klimaschutzziel, die spezifischen Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 % gegenüber dem Wert von 2011 zu reduzieren, ernstnehmen wollen.

Bei METRO gibt es das F-Gas-Exit-Programm, welches Teil unserer Energiestrategie ist. Es verfolgt das Ziel, bis 2030 die F-Gase in allen 36 METRO-Ländern um 90% zu reduzieren. Jetzt haben wir das Jahr 2020, wo steht METRO gerade in diesem Prozess?

Weltweit haben wir bisher 30% unserer METRO-Stores für 2030 erfolgreich umgestellt. Wir haben das F-Gas-Exit-Programm 2013 ins Leben gerufen, was bedeutet, dass jede Kälteanlage, die wir ab 2013 umbauen müssen, weil sie ihren „End of Lifecycle“ -Punkt erreicht hat, so umgebaut wird, dass sie auch noch 2030 am Markt mit den strengeren EU-Regulierungen bestehen bleiben kann.

Wie Du eben schon angesprochen hast, hat METRO 30% aller Stores erfolgreich umgestellt. Für das Erreichen unseres 2030-Ziels F-Gase um 90% zu reduzieren, fehlt aber noch ein Stück und es bleiben nur noch 10 Jahre - das scheint mir sportlich. Können wir das überhaupt schaffen?

Ganz klar: Wir schaffen das! Wir bauen nur noch Anlagen mit natürlichen Kältemitteln und verzichten dabei ganz auf F-Gase als Kühlmittel. Als zweite Maßnahme verbessern wir stetig unsere Wartung und Instandhaltung der Anlagen. Wir haben die jährliche Leckage-Rate von 16% im Jahr 2013 auf derzeit 8,3% reduziert. Das ist enorm.

Interview mit Olaf Schulze

© METRO

F-Gas-Exit schön und gut, aber was steckt jetzt konkret dahinter?

Wir haben drei Säulen: Die erste Säule ist das „Logbuch of Cooling System“. In diesem Logbuch befinden sich alle Basis- und Bewegungsdaten. Bedeutet: Wir zeichnen auf, um welche Kälteanlage es geht, welches Kältemittel verwendet wird und wie viel davon nachgefüllt wird. Wir wollen zum einen Transparenz schaffen und zum anderen ein Bewusstsein entwickeln über welche Größenordnung wir eigentlich sprechen.

Die zweite Säule behandelt die Thematik der Instanthaltung und Reparatur. Wir beabsichtigen in jedem Land die gleichen, sehr hohen Wartungsstandards einzuhalten. Dies tun wir nicht, weil wir besonders altruistisch veranlagt sind, sondern weil Kältemittel wahnsinnig viel Geld kostet und es unglaublich viel Schmutz erzeugt. Dieser Schmutz wird in Form von schädlichen Chemikalien in die Atmosphäre abgegeben. Das wollen wir als Unternehmen und als Teil der Gesellschaft ganz klar vermeiden und sind uns dieser Verantwortung vollkommen bewusst.

Die dritte Säule beschreibt den Core-Exit, was bedeutet, dass wir Anlagen, die wir heute mit F-Gas betreiben, umbauen und auf natürliche Kältemittel umstellen. Ganz gleich, ob die Anlage in Russland, Deutschland oder Frankreich gebaut wird, diesen Standard halten wir weltweit ein.

Tweet zu F-Gas Exit

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Was sind denn die Vorteile von natürlichen Kältemitteln im Vergleich zu F-Gasen?

Ein natürliches Kältemittel ist zum Beispiel CO2. Das klingt erstmal erschreckend für den Laien, da heutzutage ja alle über die Reduzierung von CO2 sprechen, aber der enorme Vorteil von CO2 als Kältemittel besteht darin, dass ein Kilogramm CO2 auch wirklich nur den Effekt von einem Kilogramm CO2 in der Atmosphäre hat. Wir erinnern uns: Bei üblichen F-Gasen liegt das Treibhausgaspotential bei 1:3922. Ein Kilogramm Propen zum Beispiel, was auch als natürliches Kältemittel eingesetzt wird, hat den gleichen Effekt wie vier Kilogramm CO2. Das ist ein gehöriger Unterschied.

Die EU schreibt vor, dass ab 2030 weiterhin mit F-Gasen gearbeitet werden darf, setzt aber einen Grenzwert des Treibhausgaspotentials von unter 2.500 GWP fest. Natürliche Kältemittel haben ein Treibhausgaspotential von unter 150 GWP.

Kälteanlage in den Märkten

© METRO

Die EU-Regulierung bezieht sich lediglich auf den europäischen Rechtsrahmen. Wieso entscheidet sich METRO trotzdem, diese hohen Standards und die Einführung von natürlichen Kältemitten konsequent in allen METRO-Stores global umzusetzen?

Unsere Welt ist einzigartig und wir als METRO sind Teil dieser Welt. Natürlich könnten wir weiterhin F-Gase als Kältemittel in Ländern wie China oder Russland verwenden, weil es dort keine Regulierungen dazu gibt, aber das ist nicht das, was wir wollen. Wir haben im letzten Jahr die letzte R22-Anlage in Russland, welche mit einem HFKW-Kältemittel betrieben wurde erfolgreich ausgetauscht. In der EU ist dieses Kältemittel schon seit 2015 verboten. In nur fünf Jahren haben wir es geschafft, die Kältemittel, die in der EU verboten wurden, auch in Russland freiwillig auszutauschen. Diesen Schritt hätten wir so schnell nicht gehen müssen, aber wir wollten es und haben uns ganz bewusst dazu entschieden.

Wichtig ist, und das darf man nicht vergessen: Wir haben klare Vereinbarungen getroffen und dies aus einem klaren Grund. Wir sind davon überzeugt: Für uns als METRO, für uns als Mitarbeiter, für unsere Familien und vor allem für unsere Kunden dürfen wir die 2°C, besser wäre noch die 1,5°C-Grenze der Erderwärmung nicht überschreiten und METRO setzt alles daran, an diesem Ziel aktiv mitzuwirken.

Auf der anderen Seite: Eine durchschnittliche Erderwärmung um 2°C sind mindesten 4°C in der Spitze, was extrem strenge Sommer bedeutet. Jeder extrem strenge Sommer führt dazu, dass die Kälteanlagen viel leistungsfähiger sein müssen, um auch bei 40°C Außentemperatur eine Woche lang zuverlässig zu kühlen. Sobald die Kälteanlage dauerhaft in einem 40°C warmen Umfeld kühlen muss, braucht man automatisch wesentlich mehr Know-How, Druck, Hardware und vor allem Energie. Die CO2-Technik ist insgesamt hitzebeständiger als eine herkömmliche Anlage, welche bei 40°C Außentemperatur schon über dem Limit ist und als logische Konsequenz einfach ausfällt. Somit ist die neue Technik nicht nur in Hinsicht auf die Energieeinsparungen von Vorteil, sondern insgesamt ist sie auch deutlich zuverlässiger und widerstandsfähiger. Dies ermöglicht uns, eine konstante Lebensmittelqualität zu gewährleisten und genau das ist das primäre Ziel einer gut funktionierenden Kälteanlage.

Was sind die zentralen Hürden, wenn es darum geht, die selbstgesetzten Ziele bis 2030 umzusetzen?

Momentan liegen unsere Limits deutlich im Bereich des Budgets. Wir können ja nicht einfach nach Bedarf Geld drucken (lacht). Derzeit bereitet uns der extrem steigende Investitionsbedarf Sorgen. Die Händler stehen in Europa unter Druck, da einerseits die EU-Regulierung bereits ab 01.01.2020 greift. Andererseits haben sie 20-30% höhere Kosten für die gleichen Komponenten verglichen mit den Kosten von vor drei Jahren, was enorme Sprünge sind. Wahrscheinlicher ist für mich, dass die Kosten eher weitersteigen werden. Grund hierfür ist die Nachfrage nach den Materialien, welche für die neuen Kälteanlagen gebraucht werden. Wie beispielsweise Edelstahl, Kupfer oder Platin, alles edele Metalle. Am Ende wird hier das moderne Gold verarbeitet und die Ressourcen sind begrenzt, das lässt die Preise steigen.

Olaf, jetzt ist der Energiemarkt ein hochreguliertes Umfeld. Was würdest Du Dir energiepolitisch wünschen und was würde uns als Großhändler helfen?

Ab 2020 dürfen innerhalb der EU nur noch recycelte Kältemitte mit geringem GWP eingesetzt werden, aber es gibt natürlich F-Gas Anlagen, die auch im Jahr 2030 noch laufen könnten. Aus diesem Grund wäre mein Wunsch an die politischen Entscheidungsträger, F-Gas Anlagen, die keine Emissionen oder sehr geringe Emissionen erzeugen, weiterlaufen zu lassen, denn Kälteanlagen sind nicht problematisch aufgrund der F-Gase, sondern aufgrund der Leckagen. Wenn man nun also die Leckagen über einen langen Zyklus verhindern könnte, wäre die Umweltbelastung um ein Vielfaches geringer. Unsere zwölf Anlagen in Österreich haben immer eine Leckage-Rate von 2%, was bedeutet, dass acht Anlagen gar keine Emissionen erzeugen und vier erzeugen eine kleine Menge Emissionen. Meiner Meinung nach wäre es also sinnvoll, solche Anlagen weiter zu betreiben und diese dann später durch neue Anlagen zu ersetzen.

Ein zweiter Wunsch an die Politik wäre, dass wie irgendwie diese enorme Forschungs- und Entwicklungsarbeit honoriert bekämen bspw. über Subventionen. Wir sind als Großhändler einen Pionierweg hinsichtlich des F-Gas-Exits gegangen und dies in allen 36 METRO-Ländern. Das hat uns enorm viele Ressourcen gekostet. Hier einen Ansatz zu finden, diesen Weg für Handelsunternehmen etwas leichter zu machen und Innovation und Forschung dabei zu würdigen, wäre schon ein Entgegenkommen.

Danke Dir für das Interview Olaf und viel Erfolg auf den letzten Metern zum 2030-Ziel.

Kälteanlage im Großmarkt

© METRO

Kennt Ihr schon Olaf?

Bei METRO ist Olaf Schulze bekannt als Mr. Energy. Als Director Energy Management METRO AG verantwortet er für den Konzern u. a. die Energiebeschaffung und Energieeffizienzprogramme, das F-Gas-Exit-Programm, neue Mobilitätskonzepte und das Photovoltaik- Programm. Der studierte Staats- und Rechtswissenschaftler lebt mit seiner Familie in Erfurt und ist bekennender „Kaltduscher“ – eben ein Energiefuchs durch und durch.

Portrait Olaf Schulze

Olaf Schulze, Director Energy Management METRO AG; © METRO