„Ich kann nicht immer nur über Dinge meckern, sondern ich muss auch selbst springen.“
06. Mai 2019Im Einsatz für Kunden - im Einsatz für Wähler: Unternehmer & Politiker
Mit dem CDU-Mitglied und Bundestagsabgeordneten Jan Metzler haben wir über seine Ausbildung zum Winzer gesprochen und gefragt, mit welchen Denkanstößen seine Familie und die Bürger seines Wahlkreises ihn nach Berlin schicken.
Eigentlich hätte die berufliche Zukunft von Jan Metzler ganz anders aussehen sollen. Als Winzer und Betriebswirt auf dem elterlichen Weingut in Rheinhessen. Doch 2013 gelang dem CDU-Mitglied der Sprung in den Deutschen Bundestag, als Direktkandidat. In Berlin engagiert er sich seitdem nicht nur für die Belange seines Wahlkreises, sondern auch für die Themen Wirtschaft und Energie, unter anderem für die regionale Wirtschaftspolitik.
Sie vertreten eine im Bundestag sehr seltene Berufsgruppe, die Winzer. Holen sich die anderen Politiker Wein-Tipps bei Ihnen?
Das ist in der Tat so. Ich bin ja, so könnte man sagen, ein Exot - nämlich der letzte verbliebende Winzer im Deutschen Bundestag. Und das hat sich mit der Zeit auch herumgesprochen. Wein ist ein sehr kommunikatives, ein sehr verbindendes Getränk.
Das nicht nur uralt ist, sondern das immer wieder geschaffen wird, bei dem sich traditionelle Elemente mit Innovationen vereinen. Wein ist ein Kulturgut. Und ich versuche, etwas von dieser Faszination weiterzugeben.
Wenn man sich Ihren Lebenslauf ansieht, scheint es eher ungewöhnlich, dass Sie in der Politik gelandet sind. Wann haben Sie angefangen sich politisch zu engagieren und wann war Ihnen klar, dass Politik Ihr berufliches Leben bestimmen wird?
Angefangen hat es bei mir, wie bei vielen, damit, dass man sich für etwas eingesetzt hat. Ich war zum Beispiel in der Schule Klassensprecher oder ich habe mich engagiert, als in der Ortsgemeinde ein Jugendraum gefehlt hat. Das waren die ersten zaghaften Berührungen mit „Du kannst etwas bewegen. Du kannst etwas machen.“ Mit 15, 16 Jahren bin ich dann in die Junge Union eingetreten, denn für mich war klar, ich möchte mich einbringen und Dinge voranbringen. So kam über viele Jahre hinweg das eine zum anderen. Der Sprung in die Berufspolitik gelang 2013 mit einem Bundestagsmandat als Direktkandidat.
Der politische Karriereweg war also nicht vorprogrammiert.
Meine berufliche und akademische Ausbildung, die Einflechtung in den elterlichen Betrieb, zeigte zu diesem Zeitpunkt natürlich perspektivisch etwas ganz anderes auf. Doch ich lebe nach dem Motto „Ich kann nicht immer nur über Dinge meckern, sondern ich muss auch selbst springen und etwas bewegen.“ Und so bin ich 2013 in einem Wahlkreis angetreten, wo mir jeder erklärt hat, das schaffst du sowieso nicht. Als ich gesagt habe „Leute, ich trete hier an um zu gewinnen.“, haben die gedacht, dem jungen Mann müssen wir mal den Puls messen. Dieser Wahlkreis wurde ja zuvor noch nie von der CDU gewonnen. Dass ich das Direktmandat gewinnen durfte, ist für mich nach wie vor ein Riesen-Geschenk. Denn ich verstehe mich als jemanden, der im besten Sinne des Wortes ein Dienstleister für die Menschen in seiner Heimat ist, ein Kümmerer für die kleinen, aber auch die großen Dinge vor Ort und darüber hinaus.
Ich bin ein Exot, nämlich der letzte verbliebende Winzer im Deutschen Bundestag
Mit Ihrer Familie zusammen das Weingut zu führen - war das nie eine Option für Sie? Sie haben ja eine Ausbildung zum Winzer abgeschlossen.
Ich habe schon viele verschiedene Stationen in meinem beruflichen Leben absolviert. Anfänglich war ich nicht immer der beste Schüler, eher zurückhaltend, bis dann der Knoten platzte und ich sogar Klassensprecher wurde. Dann wollten meine Großeltern nicht, dass ich Winzer werde. Sie sagten, ich soll mein Seelenheil woanders finden. Aber es hat mich fasziniert, also habe ich es gemacht. In der Realschule hieß es dann, dass das mit dem Abitur wohl nichts wird, weil meine Noten nicht gut genug waren. Ich habe es trotzdem gemacht. Das Studium wurde als Schlussfolgerung akzeptiert. Dann habe ich aber Spaß an Wirtschaftswissenschaften statt an Önologie (Weinbau) entwickelt. Später wurde ich Assistent an der Hochschule und ich war fünf Jahre lang internationaler Koordinator für die Hochschule in Worms. In dieser Zeit durfte ich wahnsinnig viel von der Welt sehen und hatte die Zuständigkeit für Studenten von 148 Partneruniversitäten weltweit. Das war eine unglaublich tolle Aufgabe. Und just in dem Moment, wo ich den Bogen genommen hatte, den mein Papa mir ermöglichte, nach dem Motto „Lass dir erst einmal den Wind um die Ohren pusten, du bist im Betreib noch lang genug.“, kam es dann 2013 anders. Und auch da hieß es erst, das klappt sowieso nicht. Hat es aber.
Sie kennen sowohl die Praxis in einem Unternehmen als auch den Politikbetrieb. Sehen Sie sich als Mittler zwischen den Welten?
Man lebt, gerade auch als direkt gewählter Mandatsträger, permanent in diesem Wechselspiel. Alles was wir hier im Bundestag diskutieren, findet sofort Niederschlag im Wahlkreis. Und das lässt mich nicht kalt. Wenn in Einzelgesprächen berichtet wird, was unsere Entscheidungen für die Menschen in ihrem Alltag bedeuten, wenn klar wird, was für die Menschen entscheidend ist und wäre – dann nehme ich dieses Wissen mit und versuche es auch hier zu transportieren. Das heißt nicht, dass ich die Kolleginnen und Kollegen, die Listenmandate haben, in ihrer Arbeit in irgendeiner Form schmälern möchte. Sie haben oft die Zuständigkeit für ihr Thema bezogen auf ein gesamtes Bundesland. Aber ich kenne mittlerweile in jeder Ortschaft bei mir jeden Baum, jeden Strauch und habe schon an so vielen Haustüren geklingelt. Ich fahre wie ein Landarzt quer über das Land und nehme mir Zeit mit den Menschen, auch in den eigenen vier Wänden, Probleme zu besprechen. Man kann sagen, mein Büro ist die ständige Botschaft meines Wahlkreises in Berlin.
Was sind die größten Herausforderungen vor denen Selbstständige, kleinere und mittlere Unternehmen im ländlichen Raum stehen?
Ich glaube, dass wir die bürokratische Schraube immer weiter nach oben drehen. Wir wollen immer mehr im Detail wissen, alles noch transparenter, noch nachweisbarer und noch nachvollziehbarer machen – aber das muss eben auch alles dokumentiert werden. Ein größeres Unternehmen oder ein Konzern erweitert die administrative Ebene dementsprechend. Aber mein Papa kann das nicht, und er ist von der Düngemittelverordnung und ähnlichem direkt betroffen. Wenn er Sonntagabends nicht mit meiner Mama das Wochenende gemütlich ausklingen lassen kann, sondern wieder im Büro sitzt, lässt er mich das auch klar wissen. Dann legt er mir die entsprechenden Formulare hin und sagt „Sag mal, was habt ihr euch denn da wieder ausgedacht und das soll ich jetzt alles noch leisten können?!“. Wir reden in Sonntagsreden immer alle von Bürokratieabbau, aber montags wollen wir es immer noch detailreicher wissen. Der Mittelständler und die Kleinstunternehmerin ertrinken in einer Flut an bürokratischem Aufwand.
Wir reden in Sonntagsreden immer alle von Bürokratieabbau, aber montags wollen wir es immer noch detailreicher wissen.
Woran liegt es, dass das in der Politik nicht ankommt?
Wir folgen hier einem gesellschaftlichen Trend. Dabei gibt es bei vielen Politikern eigentlich eine Sensibilität bei diesem Thema. Bei uns in der Fraktion hat da zum Beispiel der sehr einflussreichen Parlamentskreis Mittelstand ein Auge darauf. Aber es gibt die gesamtgesellschaftliche Tendenz nach maximaler Transparenz. Sie müssen sich nur einmal ansehen, was alles auf Verpackungen eines Nahrungsmittels steht. Das ist toll, aber in der Urproduktion muss es ja irgendwo herkommen. Und bei denjenigen, die in der Wertschöpfungskette, bezogen auf die Landwirtschaft, beginnen, ist das Stöhnen ziemlich laut. Und wie gesagt, wenn ich zu Hause bin, bekomme ich das von meiner Familie ganz knallhart dokumentiert und unverblümt gesagt. Wenn meine Mutter, mein Vater und meine Schwester sich im Grunde genommen gar nicht mehr durchgehend am Point of sale aufhalten, sondern im Büro gebunden sind - dann kann man zu dem Schluss kommen, so verdient man kein Geld. Zeit kann man nur einmal für etwas investieren und wenn ich diese für die überproportional gewachsene Bürokratie aufbrauche, kann ich keine Produkte kreieren und verkaufen.
Was sagen Sie dann dazu?
Ich sage dann immer „Ich bin angetreten mit dem Anspruch, ich kann zwar nicht die ganze Welt im Alleingang verändern, aber ich versuche meinen Beitrag nach bestem Wissen und Gewissen zu leisten.“. Und dass ich die Erfahrungen von zu Hause und aus dem Wahlkreis in Berlin platziere. Aber ich mache auch keinen Hehl daraus, dass es tendenziell mehr Bürokratie geben wird. Meine Hoffnung ist, dass wir durch die Nutzung von digitalen Tools in der Zukunft eine Minderung des Aufwands hinbekommen.
Sie haben eine Ausbildung gemacht, auf dem Weingut gearbeitet. Welche Fähigkeiten haben Sie sich aus dieser Zeit erhalten und wie setzen Sie diese in der Politik ein?
In meiner Lehre habe ich vermittelt bekommen „Du musst sehen, wo es fehlt.“ Das war das Credo meines ersten Lehrherrn. Du hast nicht erst lange Wege zu gehen, sondern du musst in den Arbeitsabläufen erkennen, wo es hakt und dann heißt es Ärmel hochkrempeln und anpacken. Und ich mag es wirklich manchmal nicht, wenn wir ewig lange über Dinge reden und zu wenig konkret fragen, wo packen wir jetzt an. Sitzungen könnten manchmal viel schneller gehen, wenn wir nicht so viel für die Galerie reden würden. Ich möchte mich mit weniger Wort, aber mit anpackender Tat einfach im Maschinenraum ins Glied stellen und wirklich einbringen. Nach dem Motto, wir haben jetzt die Probleme identifiziert und müssen nun an die Lösungen gehen. Das geht im Kleinen los - wenn ich zum Beispiel einen Coffee to go – Becher auf dem Boden liegen sehe, werfe ich ihn in den Müll - und hört beim Großen auf.
In meiner Lehre habe ich vermittelt bekommen Du musst sehen, wo es fehlt.
Wäre das anders, wenn im Bundestag mehr Abgeordnete aus der Praxis kämen?
Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen hier, die eine ganz andere Prägung haben und die ganz tolle Arbeit machen. Deswegen möchte ich das nicht pauschal sagen. Aber, was mir natürlich hin und wieder auffällt: Es gibt hier auch so richtig hemdsärmelige Originale, und das sind meistens diejenigen, die schon auf einem Acker gestanden haben, ein gestandener Metzgermeister sind oder Müllermeister waren. Diese Originale werden weniger. Jetzt weiß ich nicht, ob dieser Politikbetrieb dieses Original auch nicht mehr richtig zulässt, weil alles ein bisschen glatter, ein bisschen geschliffener sein muss. Ich unterdrücke nicht jedes Wort in Rheinhessisch, ich rede meinen Dialekt hin und wieder. Denn ich glaube, zur Politik gehört Authentizität. Und in dem Maße, in dem wir hier versuchen uns alle uniformer zu machen, geht genau das verloren. Und zum Schluss sagen die Leute „Ach egal, was der tut, die sind ja sowieso alle gleich.“ Also, das fehlt mir manchmal schon.
In der Politik weiß man nicht, wie es in der nächsten Legislaturperiode weitergeht. Haben Sie überlegt, dass es auch immer eine Option ist, zurückkehren zu können?
Absolut. Aber, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, irgendwann gibt es den Punkt, an dem man Entscheidungen treffen muss. Wir haben uns im vergangenen Jahr, als ich wieder direkt in den Bundestag gewählt worden bin, von der Betriebsleitung her neu aufstellen müssen und meine Schwester hat mehr Verantwortung übernommen. Aber wissen Sie, dieses Leben, das uns allen geschenkt ist, ist ein viel zu spannendes, als dass man sich gedanklich nur auf etwas wie Politik allein fokussiert. Ich habe vorher im Austausch mit dem DAAD arbeiten und intensiv in den elterlichen Betrieb einsteigen dürfen. Ich bin jetzt in der Politik gelandet, was mir unglaublich viel Spaß macht. Aber, ich bin niemand, der sein Leben zementiert nach dem Motto „Es kann nur so oder so weitergehen.“. Da bin ich ziemlich frei in meinen Gedanken und da bin ich auch offen für Neues.
Ist diese Freiheit gut oder schlecht? Denn viele Betriebe haben ja Probleme mit der Nachfolge.
Das ist persönlich alles nicht so ganz einfach an mir vorbeigegangen. Das ist doch klar. Ich war derjenige, der die Winzerlehre gemacht hat. Ich war derjenige, der seiner Oma versprechen musste „Gell, du bist jetzt die fünfte Generation, du trägst das jetzt weiter.“ Ich habe mir die Entscheidung vor einem Jahr nicht leicht gemacht. Aber es gibt auch eine Verantwortung für das große Ganze, für den Erhalt des Betriebes. Man sitzt in so einer betrieblichen Geschichte als ein Mosaikstein in einer langen Reihe von denjenigen, die vor einem waren und hoffentlich noch nach einem kommen. Und es gehört zur Verantwortung dazu, zu sagen, wenn ich dem Betrieb gegenwärtig nicht die volle Aufmerksamkeit schenken kann, muss es trotzdem geordnet weitergehen. Meine Schwester sorgt dafür, und ich überstütze sie nach bestem Wissen und Gewissen. Aber, den driver seat, den hat jetzt jemand anderes übernommen. Das gehört zur Verantwortung dazu.
Der Mittelständler und die Kleinstunternehmerin ertrinken in einer Flut an bürokratischem Aufwand.